Was ist Alexander-Technik?
Die Alexander-Technik* (AT) ist eine pädagogische Methode, um langjährige An- und Verspannungsgewohnheiten zu verändern. Sie ist ein kognitives Embodiment-Training mit einem integrierten psycho-motorischen Ansatz. In Einzelstunden oder kleinen Gruppen werden Denkweisen und Strategien vermittelt, die die Körperwahrnehmung (Intero- und Propriozeption) und die Wahrnehmung der Umwelt (Exterozeption) kombinieren und fördern sowie Zielfixiertheit auflösen. So verbessert sich die Ausführung von Aktivitäten des täglichen Lebens, das Selbstbewusstsein wird gesteigert und Ängste werden reduziert. Klienten lernen, funktionale Bewegungsmuster auszuwählen, die zu einer optimaleren Haltung und verbessertem motorischem und emotionalem Selbstmanagement führen.
In diesem Prozess erwirbt man im Laufe der Zeit die Fähigkeit körperlich und geistig in Balance zu bleiben. Dadurch gelingt es langfristig mit beruflichen und alltäglichen Anforderungen körperlicher und emotionaler Natur besser umzugehen. Alexander-Technik zu lernen ist eine Investition in die eigene Gesundheit. Im Laufe des Prozess stellt sich ein neues Lebensgefühl ein, das durch mehr Freude, Leichtigkeit und Gelassenheit im Umgang mit den Herausforderungen des Lebens geprägt ist.
Wissenschaft
Es gibt zunehmende wissenschaftliche Evidenz für die Wirksamkeit der Alexander-Technik, unter anderem bei chronischen Rückenschmerzen und beim Management der Symptome von Parkinson-Patienten. Mehr Informationen zu aktueller, peer-reviewed Forschung zur ihrer klinischen Wirkung und Erklärungsmodelle ihrer Wirkungsweise findest du auf auf der Website von Alexander Technique Science (in Englisch). Die Alexander-Technik befasst sich mit subtilen Wechselwirkungen zwischen motorischen, neurowissenschaftlichen und psychischen Phänomenen. Demzufolge sind die meisten wissenschaftlichen Erklärungsansätze aus den Anfängen der Alexander-Technik nach rund 120 Jahren überholt. Nichtsdestotrotz ermöglicht der heutige Stand der Wissenschaft, in der interdisziplnären Zusammenarbeit der relevanten Forschungsfelder, spannende Experimente und neue Erkenntnisse.
Im Video wird ein aktuelles wissenschaftliches Modell vorgestellt, das erklärt wie Alexander-Technik funktioniert. Es beruht auf dieser Publikation: Potential Mechanisms of the Alexander Technique: Toward a Comprehensive Neurophysiological Model Timothy W. Cacciatore, Patrick M. Johnson, and Rajal G. Cohen. Eine Zusammenfassung des Artikels für Laien findet sich hier.
Selbstverständnis
Alexander-Technik-Lehrer*innen stellen keine medizinischen Diagnosen und geben keine Heilsversprechen. Die Schüler*innen erwerben die Kompetenz, ihre muskulären und emotionalen Gewohnheiten und Reaktionsmuster zu erkennen und zu verändern. Dementsprechend handelt es sich nicht um eine Behandlung, sondern um einen auf Augenhöhe angeleiteten und begleiteten, experimentellen Lernprozess. Oft sind gesundheitliche Beschwerden der Auslöser Alexander-Technik zu lernen und eine therapeutische Wirkung ist möglich.
Geschichte
Die Alexander-Technik entwickelte der australische Schauspieler Frederick Matthias Alexander Ende des 19. Jahrhunderts. Da er unter Heiserkeit beim Rezitieren auf der Bühne litt, begann er, seine damit zusammenhängenden Gewohnheiten zu erforschen. Mit seiner über mehrere Jahre hinweg entwickelte Methode begann er schließlich mit anderen Schauspielern aber auch Personen mit einer Vielzahl von Beschwerden zu arbeiten. Zu Beginn war er in Australien auch als „the breathing man“ bekannt, da sich seine Methode auch positiv auf eine freiere und tiefere Atmung auswirkte. Um die Jahrhundertwende zog er nach London und arbeitete für den Rest seines Lebens dort und phasenweise in den USA. In Deutschland hat sich die Alexander-Technik erst seit Anfang der 1980er Jahre verbreitet und etabliert. Heute wird die Alexander-Technik weltweit in Schauspiel- und Musikhochschulen oder durch Privatunterricht vermittelt und gilt als ein Geheimtipp unter Musikern und anderen darstellenden Künstlern.
Warum nützt es dir Alexander-Technik zu lernen?
Du kannst dein Potential besser ausschöpfen und...
- körperliche Aktivitäten schneller erlernen (Musikinstrument spielen, Sport, Tanz etc.)
- als (Profi-)Tänzer oder Musiker, Schauspieler und Sportler deine Grenzen erweitern
Wenn du häufig öffentlich Sprechen und zum Beispiel Vorträge und Präsentationen halten musst, kannst du...
- mehr Präsenz und Authentizität gewinnen
- deine Botschaft mit mehr Überzeugungskraft vermitteln
- deiner Stimme auch in stressigen Situationen vertrauen
- ohne Anstrengung laut und deutlich sprechen
Im Alltag und Beruf wirst du...
- freier und tiefer atmen
- dein Stressmanagement verbessern
- mit Ängsten anders umgehen
- Entscheidungen gelassener treffen
- deine Gefühle besser wahrnehmen und kommunizieren
- Lampenfieber regulieren und die Aufregung positiv nutzen
Beschwerden des Bewegungsapparats bessern sich oder verschwinden...
- Rücken-, Schulter- und Nackenschmerzen
- Verspannungen
- Repetitive Stress Injuries: Sehnenscheidenentzündungen, Mausarm, Tennisellenbogen etc.
- Asthma
Alexander-Technik ist eine ganzheitliche pädagogische Methode. Sie beruht auf der Grundannahme, dass Körper, Psyche und Geist sich nicht nur wechselseitig beeinflussen, sondern eine untrennbare Einheit bilden. In einem Lernprozess lernt man seine körperlichen und emotionalen Gewohnheiten und mentalen Muster zu erkennen. Man kultiviert die Fähigkeit Innezuhalten, anstatt mit den eigenen Automatismen zu reagieren. Die eigene Aufmerksamkeit bewusst zu lenken und ungünstige Muster zu stoppen, erlaubt leichteren und freieren Bewegungen und Entscheidungen einfach zu passieren. Im Alexander-Technik Unterricht erforscht man alltägliche Bewegungen und Aktivitäten. Sowohl die Vorgehensweise als auch das Erfahrungswissen können im Laufe der Zeit selbstständig in den Alltag und die eigenen Aktivitäten übernommen werden. Durch die Arbeit an den eigenen Reaktionsweisen, ermöglicht die Alexander-Technik nachhaltige und tiefgehende Veränderung. Denn sie sind die Ursache vieler Haltungs- und Bewegungsgewohnheiten und spiegeln unsere emotionalen und mentalen Gewohnheiten wider.
Vorgehensweise der Alexander-Technik
Die folgenden Punkte beschreiben die Annahmen und Prinzipien die dem Prozess der Alexander-Technik zu Grunde liegen. Er ist das Werkzeug, mithilfe dessen jede Aktivität und Situation betrachtet werden kann. Im Alexander-Technik Unterricht wird er anhand einfacher, alltäglicher Aktivitäten geübt und erforscht.
Der Prozess verläuft nicht unbedingt linear, sondern wie ein Kreislauf oder eine Spirale, dessen Ergebnis graduelle Veränderungen sind. Nach und nach dringt man in immer tiefere Schichten von muskulären und emotionalen Gewohnheiten vor und erreicht immer mehr bewusste Entscheidungs- und Gestaltungsfreiheit.
Basis
Ganzheitlichkeit
Die Alexander-Technik beruht auf der Grundannahme, dass psychische und körperliche Prozesse im menschlichen Organismus untrennbar voneinander wirken. Die eigene körperliche und psychische Funktionsfähigkeit hängt folglich direkt damit zusammen, wie man mit sich selbst umgeht. Denken und Fühlen beeinflussen den Gebrauch des Körpers. Umgekehrt wirkt sich der körperliche Zustand auf das emotionale Befinden aus.
Gesamtkoordination und Balance
Die erste Reaktion auf Stress oder Angst besteht häufig darin, die Nackenmuskulatur anzuspannen und den Kopf in den Nacken zu ziehen. Für eine gute Gesamtkoordination ist aber die freie Balance des Kopfes auf der Wirbelsäule entscheidend. Das daraus resultierende dynamische Verhältnis von Kopf, Hals und Rumpf bildet die Grundlage um die Gliedmaßen zu integrieren. So können sie möglichst leicht und frei ihre jeweiligen Aufgaben erfüllen. Kurz nachdem sie Stehen und Gehen gelernt haben, sind kleine Kinder ein gutes Beispiel für eine solche gute Gesamtkoordination. Im Laufe des Lebens verlieren die meisten Menschen diese gut balancierte, dynamische Koordination durch stundenlanges Sitzen in der Schule oder bei der Arbeit. Emotionaler Stress, Leistungsdruck und der Versuch alles so schnell wie möglich richtig zu machen, tragen zu dieser Entwicklung bei.
Indirekte Herangehensweise
Das Loslassen und Weglassen von überflüssiger muskulärer Anspannung erreicht man nicht indem man etwas tut, sondern indem man aufhört etwas zu tun. Diese indirekte Herangehensweise unterscheidet die Alexander-Technik von anderen Methoden. Das ursprünglich gewünschte Ergebnis (eine gute Haltung, Schmerzfreiheit oder fließende Bewegungen) ergibt sich dann einfach nebenbei. Lernen bedeutet in der allgemein verbreiteten Vorstellung häufig, sich anzustrengen etwas „richtig zu machen“. Im Gegensatz dazu entdeckt man im Lernprozess mit der Alexander-Technik, was man alles sein lassen kann. Eine dynamische Balance und fließende Bewegungen stellen sich ein, wenn man aufhört die natürliche Koordination zu stören.
Zielfixiertheit aufgeben und sich dem Prozess widmen
Jeder Mensch hat wahrscheinlich den Wunsch seine Ziele mit geringem Einsatz auf dem direktesten und kürzesten Weg zu erreichen. Mit der Alexander-Technik wird hingegen der Fokus darauf gelegt, sich kontinuierlich um den Prozess oder Weg zu kümmern. Man erreicht so das Ziel letztlich wie nebenbei. In jedem Moment stellt sich dabei die Frage, was die aktuelle Situation erfordert. Wie man dem jeweiligen Ziel näher kommen kann, während man unterwegs gut für sich sorgt und es dadurch in einer guten körperlichen und psychischen Verfassung erreicht. Durch diese Aufmerksamkeit für den Prozess entsteht eine Flexibilität, wenn notwendig, das ursprüngliche Ziel anzupassen oder zu verändern.
Offenheit für das Unbekannte und Unerwartete
Jeder hat bewusste und unbewusste Vorstellungen von einer „guten Haltung“ oder wie Bewegungen funktionieren und sich idealerweise anfühlen sollen. Diese subjektiven Vorstellungen und Erwartungen wurden durch bisherige Erfahrungen geformt. Solange du sie nicht in Frage stellst, begrenzen sie dein Potential überraschende, neue Erfahrungen von Koordination und Leichtigkeit zu machen. Um eine neue Erfahrungen zu machen, benötigst du Offenheit etwas völlig Unerwartetes und Unbekanntes zu erleben.
Sinneswahrnehmung präzisieren
Die Sinneswahrnehmung besteht aus den aufgenommenen rohen sensorischen Informationen sowie deren anschließender Verarbeitung und Interpretation im Gehirn. So wie man einen unangenehmen Geruch nach einiger Zeit nicht mehr wahrnimmt, werden auch unsere permanent vorhandenen muskulären Anspannungsmuster ausgeblendet. Deine Gewohnheiten fühlen sich deshalb für dich richtig und normal an, während eine neue Koordination möglicherweise zunächst fremd, ungewohnt oder vielleicht sogar beängstigend, falsch und instabil erscheinen kann. Wenn du eine Veränderung erreichen möchtest, kannst du deiner Sinneswahrnehmung zunächst nicht vertrauen, denn sie ist vergleichbar mit einem schlecht kalibrierten Kompass. Sie wird dich immer wieder zum Gewohnten und Vertrauten zurückführen. Im Prozess der Alexander-Technik wird die Sinneswahrnehmung im Laufe der Zeit präziser und verlässlicher. Allmählich rücken deine Wahrnehmung und die Realität dessen, was und wie du etwas tust, näher zusammen.
Prozess
1. Stimulus
Die Definition eines Stimulus wird in der Alexander-Technik sehr weit gefasst. Ein Stimulus veranlasst uns zu reagieren und umfasst letztlich alle Situationen, zu denen wir eine Haltung einnehmen müssen, wie zum Beispiel: ein Objekt, eine Person und was sie sagt oder tut, die eigenen Gedanken und Bewertungen einer Situation, oder das Klingeln des Smartphones oder der Türklingel.
2. Innehalten und bewusstes Stoppen gewohnter Reaktionsmuster
Der erste Schritt im Prozess der Alexander-Technik besteht darin, deine alten gewohnheitsmäßigen Reaktionen wahrzunehmen und dann bewusst zu stoppen. Dadurch eröffnet sich ein Entscheidungsspielraum, für neue Handlungs- und Reaktionsmöglichkeiten. Reaktionen und Gewohnheiten werden dabei sehr weit definiert und beziehen sich insbesondere auf mentale, emotionale und muskuläre Muster.
3. Gedankliche Ausrichtung
Indem du deine Aufmerksamkeit gleichzeitig auf Verbindungen in deinem Körper und den Raum um dich herum lenkst, kannst du dich bewusst in deinem Körper und im Raum ausrichten. Dadurch verhinderst du präventiv, deiner unpräzisen Sinneswahrnehmung zu folgen und in deine gewohnten Muster zurückzufallen. Du kultivierst die Fähigkeit, ein weites und offenes Aufmerksamkeitsfeld aufrechtzuerhalten, anstatt dich nur auf eine einzige Sache zu konzentrieren und alles andere auszublenden. Während du fokussiert am PC arbeitest, könntest du zum Beispiel gleichzeitig den Raum um dich herum wahrnehmen und wie du gerade mit deinem Körper umgehst.
4. Bewusste Entscheidung
Durch Innehalten und Stoppen der gewohnten Reaktionsmuster entsteht die Möglichkeit sich bewusst zu entscheiden wie man reagieren möchte. Das beinhaltet die Optionen gar nicht zu reagieren, wie immer zu reagieren oder neu und anders zu reagieren. Diese bewussten Entscheidungen bergen das Potential für nachhaltige Veränderungen.